Wissensvermittlung an Schulen zum Thema "Behinderungen"
13. Dezember 2023
Wertschätzung lernen
Eigentlich sollten alle Menschen in unserem Land fair und respektvoll miteinander umgehen, egal, woher sie kommen, welche Muttersprache sie haben, welchem Geschlecht sie angehören und ob sie eine Behinderung haben oder nicht. Leider funktioniert das in der Praxis nicht immer so, wie es sollte. So werden Menschen mit Handicap teilweise noch immer ausgegrenzt und nicht gleichwertig behandelt. Und wenn jemand auf dem Bolzplatz das Tor nicht trifft, wird ihm verächtlich zugerufen:
„Ey, bist du behindert?!“
Aber wie kann man daran etwas ändern? Wie kann man Menschen dazu bringen, wertschätzend miteinander umzugehen? Manch einer würde sagen, dass man da gar nichts machen kann oder sich die Politikerinnen und Politiker darum kümmern müssten. Aber wir sehen das anders. Wir glauben, dass die Menschen, die bei Mosaik arbeiten, durchaus etwas bewirken können, und zwar über unsere Werkstätten und Beschäftigungs- und Förderbereiche hinaus.
„Partnerschaft für Demokratie“
Das Bundesfamilienministerium unterstützt Projekte zur Förderung von Demokratie und Vielfalt. Das nennt sich „Partnerschaften für Demokratie“. Für Neukölln wurden u. a. Einrichtungen gesucht, „die ein Projekt durchführen, bei dem durch die Beförderung von Perspektivwechsel und die Stärkung von Diversitätskompetenz die Wahrscheinlichkeit vorurteilsbehafteter Zuschreibungen abgebaut wird“. Damit ist gemeint, dass es Menschen ermöglicht werden soll, sich in andere hineinzuversetzen. In Menschen, deren alltägliches Leben sich sehr vom eigenen unterscheidet. Denn das hilft, Vorurteile abzubauen und mit Unterschieden besser klarzukommen.
Wir fanden, dass man gar nicht früh genug anfangen kann, das zu lernen. Deshalb haben wir unser Projekt „Versuch‘s mal mit Handicap“ für Grundschüler und -schülerinnen entwickelt und bei „Partnerschaften für Demokratie“ eingereicht. Bald darauf erhielten wir die erfreuliche Nachricht, dass unser Projekt ausgewählt wurde und eine Förderung erhält. In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe, in der Mitarbeitende des Beschäftigungs- und Förderbereichs Werbellinstraße, unser Team für Unterstützte Kommunikation sowie die Fachbereichsleitungen des Sozialpädagogischen Dienstes der Werkstätten und des BFB dabei waren, entwickelten wir ein Konzept, dass aus zwei Teilen besteht, die wir Module genannt haben. Beide Module wurden von Honorarkräften durchgeführt, die zuvor von uns geschult und von den „Partnerschaften für Demokratie“ bezahlt wurden.
Modul 1 − Die Welt retten
Das erste Modul besteht aus einer Stadtrallye, in der die Schülerinnen und Schüler den Auftrag bekommen, die Welt vor einer außerirdischen Bedrohung zu retten. Im Rahmen einer spannenden Geschichte müssen sie sich mit den verschiedenen Aliens vom Planeten „Diversitas“ verbünden und schlüpfen dafür in die Rolle von Spezial-agenten mit Handicap. Dabei können sie ihre Mission nur bewältigen, in dem sie die besonderen Fähigkeiten nutzen, die Menschen mit Behinderung entwickeln müssen, um ihren Alltag zu bewältigen (z. B. Fingeralphabet, Blicktafel, Rollstuhlfahren nach Code und vieles mehr). Auf diese Weise sollen die Kinder nicht nur nachvollziehen können, wie herausfordernd der Alltag von Menschen mit Handicap ist, sondern auch eine Wertschätzung für deren Alltagsleistung entwickeln.
Modul 2 − Persönliche Begegnung
Im zweiten Teil des Projekts besuchen einzelne Beschäftigte aus unserer Werkstatt am Paul-Lincke-Ufer und ein Teilnehmer aus dem BFB Werbellinstraße die Schulklassen. In einem kurzen Film geben sie einen Einblick in ihren Alltag bei uns, berichten aus ihrem Leben und beantworten die Fragen der Schülerinnen und Schüler.
Und so war‘s
Wir arbeiteten während des Projekts mit der katholischen Grundschule St. Marien in Neukölln zusammen. Insgesamt nahmen sechs Schulklassen von der vierten bis zur sechsten Klasse teil. Es war toll, zu beobachten, mit welchem Eifer die Kinder bei der Stadtrallye dabei waren. Insbesondere die jüngeren Klassen nahmen ihren Job, die Welt zu retten, sehr ernst. Im zweiten Modul waren die Kinder laut Aussagen ihrer Lehrerinnen und Lehrer ungewöhnlich konzentriert und aufmerksam dabei. Sie verhielten sich gegenüber den Menschen mit Behinderung sehr respektvoll und konnten auch die Querverbindung zu ihren eigenen Erfahrungen herstellen. Im Laufe des Besuchs begannen die Schülerinnen und Schüler zunehmend Fragen zu stellen. Viele berichteten von Verwandten oder Bekannten mit Behinderung. Themen wie die Verwendung diskriminierender Schimpfworte („Du bist ja behindert.“) wurden offen angesprochen. Es wurde gemeinsam überlegt, wie man mit solchen Situationen umgehen kann. Nicht nur für die Kinder, auch für unsere Beschäftigten und Teilnehmenden waren diese Begegnungen eine großartige und bereichernde Erfahrung.
An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Schulsozialarbeiterin Laura Szymanski, die das ganze Projekt intensiv begleitet und in der Schule hervorragend vorbereitet hat. Einen großen Dank auch an alle beteiligten Kolleginnen und Kollegen, die sich mit viel Herzblut, jeder Menge Kreativität und außergewöhnlichem Engagement eingebracht haben. Aufgrund dieser sehr positiven Erfahrungen planen wir, das Projekt in Eigenregie fortzuführen und auch in weiteren Berliner Kiezen anzubieten. Dazu bald mehr!