Blick in den Raum - Vortrag zur Unterstützten Kommunikation

Kongress für Unterstützte Kommunikation

11. Januar 2024

Erfahrungsbericht und Vortrag

Text:
Silke Braun (UK-Koordinatorin)

Alle zwei Jahre veranstaltet die Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation e.V. den UK-Kongress. Die Vorträge und Workshops zeigen die aktuellen Entwicklungen im Bereich Unterstützte Kommunikation (im Folgenden UK). Das Informationsangebot richtet sich an interessierte Personen, Anwenderinnen und Anwender sowie Fachpersonal und Angehörige. Zudem präsentieren Hilfsmittelfirmen, Initiativen und Vereine ihre Angebote und neue Entwicklungen im Rahmen einer Ausstellung bzw. Messe. (Quelle: Webseite UK-Kongress)

Eindrücke von der Messe und vom Festakt

Wir vom UK-Team waren zu Besuch auf der Messe – einerseits, um Neues zu erfahren und uns auszutauschen und andererseits um selbst einen Vortrag zu halten – dazu später mehr. Etwa 1200 Gäste aus sieben Ländern kamen jeden Tag in die Kongresshalle am Zoo in Leipzig. Hervorzuheben ist hier das Zusammenkommen von Nutzerinnen und Nutzern von UK, Fachkräften aus der Betreuung und Personen aus der Forschung und damit einhergehend ein breites Angebot an Vorträgen.

Viele verschiedene Aussteller gaben Einblick in die immense Spannbreite der UK-Hilfsmittel. Es gab zahlreiche Vorträge über UK im wissenschaftlichen Kontext und Best-Practice-Beispiele im beruflichen sowie familiären Alltag. Außerdem gab es viele Vorträge von UK-Nutzenden, die eindrucksvoll ihr Leben ohne Lautsprache schilderten und bewiesen, wie vielfältig die UK-Methoden zur Teilhabe und Selbstbestimmung sind. 

Ich persönlich fand den Vortrag „Die Sache mit dem DU. Warum Kommunikation für Menschen aus dem Autismus-Spektrum oft so schwierig ist.“ von Claudio Castañeda, Angela Hallbauer und Nina Fröhlich sehr inspirierend, da ich dort inhaltliche Wissenslücken schließen konnte und mit ganz neuen Ideen aus dem Workshop ging. Die Vorstellung des Oldenburger Inventars(1) für die Unterstützte Kommunikation durch die Autorinnen selbst beeindruckte meinen Kollegen Max Herrmann am meisten, sodass er das Verfahren nun vermehrt auch im Arbeitsalltag einsetzen möchte. Unser drittes Teammitglied Jan Wiemer informierte sich über die Neuheiten an den Ständen, erfuhr dort viel Neues in Einzelgesprächen und kaufte neue Literatur und Materialien für die UK-Koordination ein. 

Am Freitagabend fand ein Festakt statt. Dort wurden u.a. der Wissenschaftspreis und der Paul-Goldschmidt-Preis verliehen. Der Paul-Goldschmidt-Preis ist eine Auszeichnung für eine unterstützt kommunizierende Person und steht für besonderes Engagement, aktiven Einsatz, inklusive Arbeit, mutiges Umgehen mit Schwierigkeiten. Für den Preis waren insgesamt sieben Personen und Gruppen nominiert. Die Jury, die sich aus allen UK-Nutzerinnen und -Nutzern des Vereins zusammensetzt, hatte sich letztendlich für Nele Diercks ausgesprochen. Frau Diercks ist eine unterstützt kommunizierende junge Frau, die u.a. als Kommunikationsbotschafterin Kindern im Kindergarten vorliest. Es gibt einen sehr schönen Film darüber, den man sich hier anschauen kann, damit man ein Bild davon bekommt, wie sie dies tut:
Link zum YouTube Video 

Bärbel Weid-Goldschmidt hatte Nele Diercks nominiert und hielt deswegen auch eine Laudation über die tolle UK-Arbeit, die von ihr geleistet wird. Erwähnenswert, wenn auch nicht im positiven Sinne, ist, dass selbst auf einem UK-Kongress in einem so großen Standort mit vielen barrierefreien Angeboten, die Bühne nicht rollstuhlgerecht war und die Preisträgerinnen und Preisträger ihre Blumen davor entgegennehmen mussten.

Nach der Preisvergabe gab es einen eindrucksvollen Show-Act, aufgeführt von einer UK-Rap-Gruppe, die ihren Song "Sprich mit mir" aufführten. Im Rahmen eines inklusiven Musik- und Videoprojekts aus Weingarten am Bodensee wurde aus der ursprünglichen Talkergruppe eine inklusive RAP-Gruppe. Ein Video dazu könnt man sich hier ansehen:
Link zum Video

Sehr emotional wurde es, als ein einmaliger Ehrenpreis für ihr Lebenswerk an Bärbel Weid-Goldschmidt verliehen wurde. Die Laudatio hielt Ursula Braun, die zusammen mit Bärbel Weid-Goldschmidt, deren Mann Paul Goldschmidt (der auch Namensgeber des Preises ist) und anderen UK-Urgesteinen Anfang der 1990er Jahre die Unterstützte Kommunikation nach Deutschland holte und maßgeblich zur Verbreitung beitrug. Anschließend wurde die Laudatio von Katrin Lemler weitergeführt. Katrin Lemler ist UK-Nutzerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Köln. Sie kennt Bärbel Weid-Goldschmidt schon seit ihrer Kindheit. Der Preis wurde aufwändig gestaltet von Marion Tapken, die ebenfalls UK-Nutzerin und langjähriges Mitglied der GesUK ist. Es gab verdiente Standing Ovations für Bärbel Weid-Goldschmidt, aber auch für die Laudatorinnen.

Eingangtor der Messehalle

„UK inna Hauptstadt“

Für Samstagmittag war unser Vortrag „UK inna Hauptstadt – Dit find ick supa!“ eingeplant. Wir waren sehr positiv überrascht über die vielen Zuhörerinnen und Zuhörer, die gekommen waren, aber auch ein wenig aufgeregt, da sich die ein oder andere bekannte Persönlichkeit unter ihnen befand.

Im ersten Teil beschrieben wir, wie sich die UK im Beschäftigungs- und Förderbereich (BFB) von Mosaik entwickelt hat und inzwischen ziemlich erfolgreich umgesetzt wird. Dazu gehörte auch zu erklären, was unsere Aufgaben als UK-Koordination eigentlich umfassen und wie wichtig für eine so großflächige Implementierung von UK es ist, dass es einen gut aufgestellten und interessierten UK-Arbeitskreis (AKUK) gibt. Nur durch die gute Zusammenarbeit und die Mitgestaltung des Prozessweges der Mitglieder des AKUK mit der UK-Koordination ist es möglich, diesen Weg auch wirklich zu gehen und ein engmaschiges, funktionierendes Netzwerk zu bilden.

Vortrag "Vom Bedarf zur Lösung"

Aufgabenbereich des Teams der Unterstützten Kommunikation

  • Die Arbeit der UK-Koordination unter Einbezug des AKUK ist sehr vielfältig, deshalb folgt hier nur ein kurzer Auszug:
  • Durchführung individueller Beratungen von Teilnehmenden und Fachkräften,
  • Schulungen für interessierte Fachkräfte, angepasst an die jeweiligen Standortbedarfe in Länge und Inhalt,
  • spezielle Beratung bei herausforderndem Verhalten in Zusammenarbeit mit den Deeskalationstrainerinnen und -trainern von Mosaik,
  • bei Projekten, die UK-Inhalte bedenken und füllen,
  • bei Sommer-, Weihnachts- oder Sportfesten, die UK sichtbar machen,
  • der Austausch mit den BFB-Räten und auch mit dem Werkstattrat (Mitwirkungsgremien der Beschäftigten und Teilnehmenden)
  • das Erstellen von Informationsmaterial in Form von Filmen, die bei Schulungen genutzt werden können und bei Instagram und Facebook durch die Öffentlichkeitsarbeit verbreitet werden,
  • die Festlegung von UK-Standards,
  • das Erstellen von UK-Materialien (Tagespläne, Ich-Bücher, Alternativpläne oder Kalendern), die in den jeweiligen Standorten erprobt und nach Bedarf angepasst werden,
  • u.v.m.

Es war uns wichtig an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit von Teilhabe durch UK nur dann funktioniert, wenn von der Leitung verstanden wurde, dass es hierfür finanzielle, materielle und räumliche Ressourcen benötigt und diese auch bereitgestellt werden. Dass dies leider noch nicht überall üblich ist, zeigte die anschließende Rückmelderunde, in der wir auch von einigen Personen aus dem Berliner Kreis angesprochen und um Vernetzung gebeten wurden.

Im zweiten Teil unseres Vortrags „Erstellung einer nutzerorientierten, pragmatischen Gebärdensammlung“ ging es uns darum, zu präsentieren, wie eine Gebärdensammlung gemeinsam mit den Nutzenden erstellt werden kann und alle Beteiligten in die Erarbeitung involviert werden können. Also nicht an den Bedarfen der Nutzenden vorbei, sondern teilhabeorientiert mit ihnen und dem Betreuungspersonal, um zu gewährleisten, dass das erstellte Produkt auch tatsächlich im Alltag genutzt wird. Diese Vorgehensweise nennt sich User Centered Design (UCD) und ist in verschiedene Phasen aufgegliedert, die von Max Herrmann vorgestellt und erläutert wurden.

Abschließend können wir sagen, dass wir viel Neues (gedanklich und erworbene Materialien) mitnehmen und tolle Gespräche über und mit UK führen konnten. Wer mehr über unsere Vorträge und die Arbeit des UK-Teams bei Mosaik erfahren möchte, kann sich gerne an uns wenden: 
uk-koordination@mosaik-berlin.de
 
Hinweis: Der nächste Kongress findet vom 6. bis 8. November 2025 statt.

 

(1) Das Oldenburger Inventar für Unterstützte Kommunikation – kurz OLI für UK – dient der Ermittlung passender Angebote der Unterstützten Kommunikation für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die aufgrund einer angeborenen oder erworbenen Beeinträchtigung nicht oder nur eingeschränkt lautsprachlich kommunizieren können. Hierzu werden alle relevanten Entwicklungsbereiche systematisch erhoben. Das Inventar ist sowohl für Fachkräfte im pädagogischen, therapeutischen und pflegerischen Feld als auch in der Zusammenarbeit mit Angehörigen geeignet und umfasst Vorlagen für den gesamten Diagnostik- und Beratungsprozess.
Quelle: Auszug aus Buchbeschreibung auf www.testzentrale.de
Übersicht über das Inventar: https://uol.de/sonderpaedagogik/ambulatorium/beratungsstelle-fuer-unterstuetzte-kommunikation/uk-beratung/inventar

 

 

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Thomas Franke

Fachbereichsleiter BFB

030 220 668 801
t.franke@mosaik-berlin.de

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