Fachkräftemangel trifft Inklusion: Warum Menschen mit Behinderung trotzdem keinen Job finden?
13. Dezember 2024
Warum der Einstieg ins Arbeitsleben so schwierig ist
„Der Einstieg ins Arbeitsleben ist oft schwierig. Dabei ist genau dieser Einstieg unheimlich wichtig, um Erfahrungen sammeln zu können“, erklärt Dagmar Greskamp. Sie weiß, wovon sie spricht: Die Fachexpertin für Inklusion und Arbeit bei Aktion Mensch lebt selbst mit einer Gehbehinderung und kennt die Herausforderungen des Starts in das Berufsleben aus eigener Erfahrung.
Barrieren für Menschen mit Behinderung:
- Physische Hindernisse: Nicht alle Arbeitsstätten sind barrierefrei gestaltet – von unzugänglichen Gebäuden bis hin zu fehlenden technischen Hilfsmitteln.
- Vorurteile und Unsicherheiten: „Es gibt immer noch Vorbehalte zur Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung“, sagt Dagmar Greskamp. Einige Arbeitgeber befürchten außerdem, dass Menschen mit Behinderung schwer kündbar sind – ein Irrtum, der Hemmschwellen schafft.
- Komplizierte Förderstrukturen: Fördermöglichkeiten wie das Budget für Arbeit oder Ausbildung sind zwar vorhanden, werden jedoch selten genutzt. „Die Anträge sind oft zu kompliziert, und es wird zu wenig individuell geschaut“, erklärt sie.
Für viele Menschen mit Behinderung bedeutet das:
Trotz guter Qualifikationen und großem Engagement bleibt die Jobsuche mühsam. Die Arbeitslosenquote unter Menschen mit Behinderung ist fast doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Behinderung, und viele sind über ein Jahr oder länger auf der Suche nach einer neuen Stelle.
Warum Inklusion ein Gewinn für alle ist
Inklusion am Arbeitsplatz ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit – sie bietet klare Vorteile für Unternehmen und Gesellschaft. Dagmar Greskamp betont: „Menschen mit Behinderung können einen Teil des Fachkräftemangels beheben. Es wäre ein großer Vorteil, wenn es uns gelingen würde, dieses Potenzial zu nutzen.“
Arbeit ist mehr als Einkommen:
Neben dem finanziellen Aspekt bietet Arbeit soziale Teilhabe, ein unterstützendes Umfeld und eine sinnvolle Aufgabe. „Viele Menschen mit Behinderung, die ein Studium oder eine Ausbildung abgeschlossen haben, wollen sich einbringen“, so Dagmar Greskamp.
Für Unternehmen bedeutet Inklusion:
- Zugang zu einem oft ungenutzten Pool an qualifizierten Fachkräften.
- Stärkung der Teamkultur durch mehr Vielfalt und unterschiedliche Perspektiven.
- Ein positives Image als moderner, sozial verantwortlicher Arbeitgeber.
Wie Unternehmen Barrieren abbauen können
Dagmar Greskamp ermutigt Unternehmen, aktiv zu werden: „Viele Arbeitgeber haben noch nicht erkannt, dass Menschen mit Behinderung gute Fach- und Arbeitskräfte sind. Es wäre wichtig, mehr Offenheit zu zeigen und das auch nach außen zu leben.“
Hier sind einige konkrete Schritte für Unternehmen:
1. Barrierefreiheit schaffen:
- Arbeitsplätze und Gebäude zugänglich machen.
- Digitale Tools und Software barrierefrei gestalten.
2. Bewusstsein fördern:
- Teams durch Schulungen für die Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung sensibilisieren.
- Eine Unternehmenskultur der Offenheit und Akzeptanz schaffen.
3. Individuelle Lösungen bieten:
- Flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice-Optionen ermöglichen.
- Arbeitsplätze an individuelle Bedürfnisse anpassen, z. B. durch ergonomische Möbel oder technische Hilfsmittel.
4. Förderprogramme nutzen:
- Finanzielle Unterstützung durch Programme wie das Budget für Arbeit beantragen.
- Den bürokratischen Prozess aktiv begleiten, um Bewerberinnen und Bewerbern mit Behinderung den Einstieg zu erleichtern.
Politische Rahmenbedingungen: Wo Nachholbedarf besteht
Dagmar Greskamp sieht auch die Politik in der Pflicht: „Das Behindertengleichstellungsgesetz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz müssen überarbeitet werden, um Barrierefreiheit auch für private Anbieter verpflichtend zu machen.“ Außerdem fordert sie mehr Flexibilität bei der Förderung: „Es wäre besser, individuell zu prüfen, was der einzelne Mensch braucht, und das Budget entsprechend anzupassen.“
Fokus auf Potenziale statt Defizite
Der Blick auf die Zukunft macht deutlich: Eine älter werdende Gesellschaft wird automatisch inklusiver werden müssen. Dagmar Greskamp betont: „Wir sollten auf die Fähigkeiten des Einzelnen schauen und nicht auf die Behinderung. Zu oft wird auf das fokussiert, was vermeintlich nicht geht, anstatt auf das, was geht.“
Checklists und weitere Infos
Checklist für Arbeitsgeber: Inklusive Arbeitsplätze gestalten
Checklist für Menschen mit Behinderung: Erfolgreich in den Job starten
Weiterführende Links
- Das vollständige Interview mit Dagmar Greskamp ist im Mosaik Magazin 2/2024 erschienen. Zum Magazin (als PDF-Download)
- Mehr Zahlen und Fakten zum Thema finden sich im Inklusionsbarometer Arbeit 2024 von Aktion Mensch. Zum Inklusionsbarometer
Das Titelfoto zu diesem Blogbeitrag wurde mit canva.com erstellt.