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Fachkräftemangel trifft Inklusion: Warum Menschen mit Behinderung trotzdem keinen Job finden?

13. Dezember 2024

Lesedauer: 6 Minuten

Der Einstieg ins Arbeitsleben ist für Menschen mit Behinderung oft eine besondere Herausforderung. Physische Barrieren, Vorurteile und bürokratische Hürden machen es schwer, den richtigen Arbeitsplatz zu finden – und das, obwohl Fachkräfte dringend gesucht werden. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Chancen eines inklusiveren Arbeitsmarktes und auf die Hindernisse, die diese Entwicklung aktuell erschweren. Dabei haben wir mit Dagmar Greskamp, Fachexpertin für Inklusion und Arbeit bei Aktion Mensch, gesprochen. Sie verantwortet unter anderem das jährlich erscheinende Inklusionsbarometer Arbeit. Im Interview teilt sie sowohl ihre berufliche Expertise als auch persönliche Erfahrungen, die zeigen: Inklusion ist möglich – wenn alle Seiten aktiv werden.

Warum der Einstieg ins Arbeitsleben so schwierig ist

„Der Einstieg ins Arbeitsleben ist oft schwierig. Dabei ist genau dieser Einstieg unheimlich wichtig, um Erfahrungen sammeln zu können“, erklärt Dagmar Greskamp. Sie weiß, wovon sie spricht: Die Fachexpertin für Inklusion und Arbeit bei Aktion Mensch lebt selbst mit einer Gehbehinderung und kennt die Herausforderungen des Starts in das Berufsleben aus eigener Erfahrung.

Barrieren für Menschen mit Behinderung:

  • Physische Hindernisse: Nicht alle Arbeitsstätten sind barrierefrei gestaltet – von unzugänglichen Gebäuden bis hin zu fehlenden technischen Hilfsmitteln.
  • Vorurteile und Unsicherheiten: „Es gibt immer noch Vorbehalte zur Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung“, sagt Dagmar Greskamp. Einige Arbeitgeber befürchten außerdem, dass Menschen mit Behinderung schwer kündbar sind – ein Irrtum, der Hemmschwellen schafft.
  • Komplizierte Förderstrukturen: Fördermöglichkeiten wie das Budget für Arbeit oder Ausbildung sind zwar vorhanden, werden jedoch selten genutzt. „Die Anträge sind oft zu kompliziert, und es wird zu wenig individuell geschaut“, erklärt sie.

Für viele Menschen mit Behinderung bedeutet das:
Trotz guter Qualifikationen und großem Engagement bleibt die Jobsuche mühsam. Die Arbeitslosenquote unter Menschen mit Behinderung ist fast doppelt so hoch wie bei Menschen ohne Behinderung, und viele sind über ein Jahr oder länger auf der Suche nach einer neuen Stelle.

Chart Arbeitslosenquoten 2024

Warum Inklusion ein Gewinn für alle ist

Inklusion am Arbeitsplatz ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit – sie bietet klare Vorteile für Unternehmen und Gesellschaft. Dagmar Greskamp betont: „Menschen mit Behinderung können einen Teil des Fachkräftemangels beheben. Es wäre ein großer Vorteil, wenn es uns gelingen würde, dieses Potenzial zu nutzen.“

Arbeit ist mehr als Einkommen:

Neben dem finanziellen Aspekt bietet Arbeit soziale Teilhabe, ein unterstützendes Umfeld und eine sinnvolle Aufgabe. „Viele Menschen mit Behinderung, die ein Studium oder eine Ausbildung abgeschlossen haben, wollen sich einbringen“, so Dagmar Greskamp.

Für Unternehmen bedeutet Inklusion:

  • Zugang zu einem oft ungenutzten Pool an qualifizierten Fachkräften.
  • Stärkung der Teamkultur durch mehr Vielfalt und unterschiedliche Perspektiven.
  • Ein positives Image als moderner, sozial verantwortlicher Arbeitgeber.
Fakt Fachkräftemangel Deutschland

Wie Unternehmen Barrieren abbauen können

Dagmar Greskamp ermutigt Unternehmen, aktiv zu werden: „Viele Arbeitgeber haben noch nicht erkannt, dass Menschen mit Behinderung gute Fach- und Arbeitskräfte sind. Es wäre wichtig, mehr Offenheit zu zeigen und das auch nach außen zu leben.“

Hier sind einige konkrete Schritte für Unternehmen:

1. Barrierefreiheit schaffen:

  • Arbeitsplätze und Gebäude zugänglich machen.
  • Digitale Tools und Software barrierefrei gestalten.

2. Bewusstsein fördern:

  • Teams durch Schulungen für die Zusammenarbeit mit Menschen mit Behinderung sensibilisieren.
  • Eine Unternehmenskultur der Offenheit und Akzeptanz schaffen.

3. Individuelle Lösungen bieten:

  • Flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice-Optionen ermöglichen.
  • Arbeitsplätze an individuelle Bedürfnisse anpassen, z. B. durch ergonomische Möbel oder technische Hilfsmittel.

4. Förderprogramme nutzen:

  • Finanzielle Unterstützung durch Programme wie das Budget für Arbeit beantragen.
  • Den bürokratischen Prozess aktiv begleiten, um Bewerberinnen und Bewerbern mit Behinderung den Einstieg zu erleichtern.
Fakt Pflichtarbeitsplätze

Was Menschen mit Behinderung tun können

Gleichzeitig können Menschen mit Behinderung selbst aktiv werden, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen:

  • Netzwerke aufbauen: Kontakte zu inklusiven Unternehmen knüpfen, z. B. durch soziale Netzwerke oder Veranstaltungen.
  • Beratungsangebote nutzen: Unterstützung durch Integrationsämter, Job-Coaches oder Inklusionsberater und -beraterinnen in Anspruch nehmen.
  • Stärken kommunizieren: Sich auf die eigenen Fähigkeiten konzentrieren und diese im Bewerbungsprozess selbstbewusst präsentieren.

Mehr Infos zu den Job-Coaches von Mosaik

Politische Rahmenbedingungen: Wo Nachholbedarf besteht

Dagmar Greskamp sieht auch die Politik in der Pflicht: „Das Behindertengleichstellungsgesetz und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz müssen überarbeitet werden, um Barrierefreiheit auch für private Anbieter verpflichtend zu machen.“ Außerdem fordert sie mehr Flexibilität bei der Förderung: „Es wäre besser, individuell zu prüfen, was der einzelne Mensch braucht, und das Budget entsprechend anzupassen.“

Fokus auf Potenziale statt Defizite

Der Blick auf die Zukunft macht deutlich: Eine älter werdende Gesellschaft wird automatisch inklusiver werden müssen. Dagmar Greskamp betont: „Wir sollten auf die Fähigkeiten des Einzelnen schauen und nicht auf die Behinderung. Zu oft wird auf das fokussiert, was vermeintlich nicht geht, anstatt auf das, was geht.“

Checklists und weitere Infos

Checklist für Arbeitsgeber: Inklusive Arbeitsplätze gestalten

Checklist für Menschen mit Behinderung: Erfolgreich in den Job starten

 

Weiterführende Links

 

Das Titelfoto zu diesem Blogbeitrag wurde mit canva.com erstellt.

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